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Kunst macht Mehr.

Kunstprojekt „Überlebensmittel Wasser“ – die erste Woche.

Haltern am See. Der Donnerstagabend ist ein besonderer Abend, wenn er in einer Woche wie der Projektwoche „Überlebensmittel Wasser“ liegt. Der Donnerstag war der letzte Abend der ersten Fortbildungswoche, bei der gut 20 Menschen aus ganz Deutschland ihren politischen und emotionalen Zugang zu diesem Element „Wasser“ gesucht und in drei workshops beschrieben haben. Der Kneipenraum in der Heimvolkshochschule (HVHS) Gottfried Könzgen blieb verwaist, auch um halb zehn abends – alle Teilnehmer*innen saßen mit ihren Fachreferenten *innen zu dieser späten Stunde noch immer konzentriert in ihren workshop-Räumen und arbeiteten vor sich hin. Freiwillig und buchstäblich versunken in ihrem Wasser-Thema.

Im workshop „Kreatives Schreiben“ ließen sie ihre Wasser-Kurz-Geschichten aus dem Bleistift fließen und enden – mal heiter, mal düster, mal beides. Im workshop „Form und Farbe“ rissen und klebten sie Collagen, malten blau und gold und braun darüber und setzten den entscheidenden Farbfleck. Im workshop „Fotografie“ montierten sie die tagsüber fotografierten Enten auf vermoderte Netzkugeln und Laub-saugende Männer an den blauen Planeten Erde. Ein letzter kritischer Blick auf das Foto, das Bild, die Geschichte für morgen. Es war der Abend vor der Abschlusspräsentation der Projektwoche.

Politische Themen mit künstlerischen Mitteln Ausdruck verleihen – eine Woche lang, das ist der Auftrag der Weiterbildung der Stiftung ZASS, des Hilfswerkes Misereor und des Bildungverbands KEB. Das sind jene Wochen, die so reichlich Kunstprodukte zurück lassen. Bilder, Fotos, Gedichte, die die Tiefe zeigen, mit der sich die Teilnehmer*innen mit einem politischen Thema auseinandergesetzt haben. Dieses Jahr war es das “Wasser“. Diese erste Woche, die mit workshops und Filmabend und einem Besuch der Wasser-Ausstellung im Naturkundemuseum die Teilnehmenden symbolisch eintauchen ließ in die Komplexität dieses Themas.

Und dann wurde Freitag. Der Freitagmorgen lebt vom Donnerstagabend. Man sieht es, wenn alle in der Runde sitzen, etwas erschöpft, etwas aufgeregt. Wenn Mechthild Hartmann-Schäfers von der Stiftung ZASS Kunstwerk für Kunstwerk vorstellen lässt – Bilder, Fotoserien, Geschichten. Da liegt ein in gelb-und braun-Schattierungen gemaltes Bild mit dem verdorrten Baum, neben einem Bild mit der großen Welle, die so satt blau und so schön ist und alles zu verschlingen droht. Die Fotos von lachenden Menschen am See streiten sich mit den Bildern von Plastiktüten im Wasser und Müll am Strand. Selbstgeschrieben Geschichten von Fischkuttern auf der Nordsee erzählen mehr als jede Statistik, was die knochenharte Arbeit und die überfischten Meere für die Fischer selbst bedeuten. Und plötzlich bekommt man eine Ahnung von dem, was alles damit gemeint sein könnte, mit jenem gemalten Satz in seegrünen Gitter: „Gefangen im Mehr“.

Auch Kunst macht MEHR doch ihr MEHR setzt etwas frei. Sie macht mehr mit denen, die sich ausdrücken und mehr mit denen, die Kunst betrachten oder ihr zuhören. Und Kunst fordert mehr als ein bisschen schreiben, malen oder knipsen. Im Januar 2017 geht es für uns weiter – die nächste Ausbildungswoche von „Überlebensmittel Wasser“ von ZASS, Misereor und KBE führt uns nach Reetzbach in Franken. Ich weiß jetzt schon, dass ich bis dahin überall Wasser sehen werde – reines, klares, schmutziges, verseuchtes, gefrorenes und fehlendes. Und ich werde wieder nicht fertig werden bis Donnerstagabend. Ich freu mich drauf.

Heike Honauer, Teilnehmerin der Schreibwerkstatt